Bibliotheken könnten Vermittler zwischen Rechteinhabern und Nutzern sein...Das Grünbuch zeigt Thematik, Stand der Diskussion sowie rechtliche Regelungen der EU-Mitgliedsstaaten einerseits für einen möglichst freien Zugang zu Information für Wissenschaft, Forschung, Unterricht und Menschen mit Behinderungen - andrerseits für Fragen des Urheberrechts aus Sicht der Verlage, Bibliotheken, Archive, Forscher, Studenten und Internet-Nutzern.
Der Begriff „wissensbestimmte Wirtschaft“ charakterisiert im allgemeinen Volkswirtschaften, die sich nicht auf „natürliche“ Ressourcen (wie Böden oder mineralische Vorkommen), sondern auf geistige Ressourcen, wie Know-how und Fachwissen, stützen. Eine der Grundlagen der wissensbestimmten Wirtschaft besteht darin, dass Wissen und Bildung (auch Humankapital genannt) als Wirtschaftsgüter oder Produkte und Dienstleistungen betrachtet werden können, die sich mit hoher Rendite exportieren lassen. Damit liegt auf der Hand, dass die wissensbestimmte Wirtschaft eher in Regionen mit geringen natürlichen Ressourcen von Bedeutung ist.
Die EU-Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der ungehinderte Fluss von Wissen und Innovationen im Binnenmarkt gefördert werden muss.
Die Erhöhung des Wissensstandards aller Bürger trägt zu mehr gesellschaftlichem Zusammenhang und zu mehr Chancengleichheit bei und steht damit auch im Einklang mit den Prioritäten der neuen Sozialagenda.
Der Schutz der Urheberrechte liegt im Interesse der Urheber selbst, der Verlage und Plattenfirmen, sie bieten den Schöpfern geistiger Werke rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit und ermutigen so zu weiterem Schaffen.
In den Rechtsvorschriften zum Urheberrecht wurde bisher immer der Versuch unternommen, sowohl adäquate Vergütungen für kreatives Schaffen und Investitionen zu garantieren, gleichzeitig aber durch Einführung einer Reihe von Ausnahmen die Verbreitung von Wissensinhalten frei zu ermöglichen.
Diese Ausnahmen sind allerdings für die Mitgliedsstaaten nicht verbindlich, in der Vergangenheit waren die nationalstaatlichen Regelungen oft enger gefasst als die EU-Richtlinie.Die Richtlinie hat nicht nur die ausschließlichen Rechte an die Welt des Internet angepasst, sondern auch eine erschöpfende Liste von Ausnahmen vom Urheberrechtschutz eingeführt, obgleich hierzu keine internationale Verpflichtung bestand. So haben die Mitgliedstaaten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens nach und nach die jetzige Liste mit einer verbindlichen und 20 unverbindlichen Ausnahmen zusammengestellt.
Die Bedingungen für die Anwendung dieser Ausnahmen sind recht allgemein formuliert. So haben die Verfasser der Richtlinie den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der darin enthaltenen Ausnahmen viel Spielraum gelassen.
Abgesehen von der Ausnahme für flüchtige Vervielfältigungshandlungen können die Mitgliedstaaten die Ausnahmen in ihren nationalen Rechtsvorschriften enger fassen als in der Richtlinie vorgesehen. Durch die ausführliche Ausnahmenliste der Richtlinie wurde eine gewisse Harmonisierung bei den nationalen Regelungen erzielt.
Im Grünbuch geht es vor allem um die Ausnahmen, die für die Wissensverbreitung die größte Bedeutung haben, nämlich
– die Ausnahme für Bibliotheken und Archive,
– die Ausnahme für die Verbreitung von Werken zu Unterrichts- und Forschungszwecken,
– die Ausnahme für Menschen mit Behinderung,
– eine eventuelle Ausnahme für von Nutzern geschaffene Inhalte.
Jede nach Artikel 13 des „TRIPS-Übereinkommens“ (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) zulässige Ausnahme sollte eng gefasst und auf ein Mindestmaß beschränkt sein.
Die drei Bedingungen, d.h.
1.) Beschränkung auf bestimmte Sonderfälle,
2.) keine Beeinträchtigung der normalen Verwertung und
3.) keine ungebührliche Verletzung der berechtigten Interessen des Rechtsinhabers
müssen allesamt erfüllt sein und stellen einen 3-Stufen-Test dar, dem jede Ausnahme gerecht werden muss und der im Sinne der Berner Konvention ist.
Die Ausnahme für Bibliotheken und Archive
In Bezug auf Bibliotheken und ähnliche Einrichtungen sind vor allem zwei Punkte von Belang:
die Erstellung digitaler Kopien der Bibliotheksbestände und die elektronische
Bereitstellung dieser Kopien für die Benutzer.
Die Digitalisierung von Büchern, audiovisuellen Materialien und anderen Inhalten kann einem doppelten Zweck dienen – der Erhaltung der Inhalte für die Nachwelt und der Online-Bereitstellung für die Endnutzer. Nach den derzeitigen Rechtsvorschriften haben Bibliotheken und Archive keinen Freischein für Vervielfältigungen. Eine Vervielfältigung ist nur in bestimmten Fällen gestattet, die bestimmte, für die Erhaltung der in den Katalogen aufgeführten Bestände notwendige Handlungen abdecken dürften. Auf der anderen Seite ist bei der Ausnahme für Bibliotheken und bei den nationalen Bestimmungen zu ihrer Umsetzung nicht immer ganz klar, ob Formatänderungen zulässig sind oder wie viele Kopien angefertigt werden dürfen. In Fällen, in denen es hierzu detaillierte Vorschriften gibt, sind diese das Ergebnis nationaler Rechtsetzung. So haben einige Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vervielfältigungsrechte von Bibliotheken restriktive Vorschriften.
Das Interesse von Bibliotheken und anderen Einrichtungen öffentlichen Interesses, ihre Bestände (durch Digitalisierung) nicht nur zu erhalten, sondern auch online verfügbar zu machen, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Die Bibliotheken argumentieren, dass Forschern dadurch der Weg in Bibliotheken oder Archive erspart bleibt, da sie die gewünschten Informationen problemlos im Internet finden und von dort herunterladen können. Auch Verleger gehen mehr und mehr zur Digitalisierung ihrer Kataloge über, um interaktive Online-Datenbanken einzurichten, über die die Benutzer die gewünschten Informationen problemlos auf ihren Computer herunterladen können.
All diese Dienste sind gebührenpflichtig.
Für öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Archive und Museen sieht die Urheberrechtsrichtlinie zwei Ausnahmen vor:
– eine Ausnahme vom Vervielfältigungsverbot, die nicht kommerzielle Vervielfältigungen zum Gegenstand hat (Art. 5 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie) und
– eine eng gefasste Ausnahme für die öffentliche Wiedergabe und öffentliche
Zugänglichmachung, die gilt, wenn dies Forschungszwecken oder privaten Studien dient und über eigens hierfür eingerichtete Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen erfolgt (Art. 5 Absatz 3 Buchstabe n der Richtlinie)
Digitalisierung (Erhaltung)
Die Ausnahme vom Vervielfältigungsverbot wird in der Richtlinie auf „bestimmte
Vervielfältigungshandlungen“ beschränkt. Damit stellt Artikel 5, Absatz 2, Buchstabe c die einzige Ausnahme dar, in der ausdrücklich auf den ersten Teil des in Artikel 5 Absatz 5 der Richtlinie dargelegten „Dreistufentests“ Bezug genommen wird, wonach Ausnahmen auf „bestimmte Sonderfälle“ beschränkt bleiben müssen.
- nämlich - siehe weiter oben – gemäß der Berner Konvention
1.) Beschränkung auf bestimmte Sonderfälle,
2.) keine Beeinträchtigung der normalen Verwertung und
3.) keine ungebührliche Verletzung der berechtigten Interessen des Rechtsinhabers
Auch in Erwägungsgrund 40 der Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass diese Ausnahme auf bestimmte Fälle beschränkt bleiben und eine Nutzung im Zusammenhang mit der Online-Lieferung geschützter Werke oder Tonträger ausschließen sollte.
Durch die vorsichtige Formulierung dieser Ausnahme sind Bibliotheken und die anderen Begünstigten nicht generell vom Vervielfältigungsverbot ausgenommen. Eine Vervielfältigung ist nur in bestimmten Fällen gestattet, die bestimmte, für die Erhaltung der in den Katalogen aufgeführten Bestände notwendige Handlungen abdecken dürften. Auf der anderen Seite enthält diese Ausnahme keine klare Anweisung zu Punkten wie
„Formatänderungen“ oder
der Zahl der Kopien, die im Rahmen dieser Ausnahme angefertigt werden dürfen. In Fällen, in denen es hierzu detaillierte Vorschriften gibt, sind diese das Ergebnis nationaler Rechtsetzung.
So haben einige Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vervielfältigungsrechte von Bibliotheken restriktive Vorschriften.
Die britische Regierung führt zurzeit eine Konsultation durch, bei der es um eine Änderung des Abschnitts 42 des Copyright, Designs and Patents Act (CDPA) geht, der Bibliotheken und Archiven gestattet, von einem dauerhaft in ihrem Bestand befindlichen literarischen, dramatischen oder musikalischen Werk zu Konservierungszwecken oder als Ersatz eine einzige Kopie anzufertigen. Die Regierung schlägt vor, diese Ausnahme auszuweiten und für Tonaufnahmen, Filme und Rundfunksendungen eine Vervielfältigung und Formatänderung sowie mehr als eine Kopie zuzulassen, wenn möglicherweise mehrere aufeinanderfolgende Vervielfältigungsvorgänge erforderlich sind, um permanente Bestände in einem zugänglichen Format zu erhalten.
Für die Konservierung von Werken in einem auf Dauer haltbaren Format spielen
Bibliotheken, Archive und Museen eine wichtige Rolle. Doch auch Privatunternehmen, wie Suchmaschinen, beteiligen sich in zunehmendem Maße an großangelegten Digitalisierungsprojekten. So wurde beispielsweise 2005 das Projekt Google Book Search ins Leben gerufen, dessen Ziel darin besteht, die Suche von Buchinhalten im Internet zu ermöglichen. Zu diesem Zweck schließt Google mit europäischen Bibliotheken Vereinbarungen über die Digitalisierung gemeinfreier Werke.
Auch Verlage experimentieren mit dem kostenlosen auszugsweisen, mitunter sogar vollständigen Online-Zugang zu Büchern und entwickeln Programme , die den Nutzern die Durchsuchung von Buchinhalten ermöglichen. (z.B. HarperCollins)
Doch ist zu betonen, dass die Ausnahme des Artikels 5, Absatz 2, Buchstabe c nicht für Privatunternehmen wie Suchmaschinen gilt, sondern auf öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen oder Archive sowie auf Handlungen beschränkt ist, die weder direkt noch indirekt einem wirtschaftlichen oder kommerziellen Zweck dienen.
Eine Digitalisierung setzt das Recht auf Vervielfältigung voraus, da eine Formatänderung von analog auf digital eine Vervielfältigung des Werks erfordert. So muss ein Buch erst gescannt werden, bevor es digitalisiert werden kann. Erfolgt dies durch Unternehmen oder unter Umständen, die nicht von Artikel 5, Absatz 2, Buchstabe c abgedeckt sind, müssen die Rechteinhaber einer solchen Vervielfältigung im Voraus zustimmen. Auch wenn ein digitalisiertes Werk online zur Verfügung gestellt wird, erfordert dies die vorherige Zustimmung des/der Rechteinhaber/s.
Bei Projekten, bei denen die in Bibliotheksbeständen vorhandenen Bücher eingescannt werden, um ihren Inhalt über das Internet durchsuchbar zu machen, wird im allgemeinen auch nach Verlinkung, dem Deeplinking oder der Indexierung unterschieden, welche Werke frei online verfügbar sind.
So hat der deutsche Bundesgerichtshof in Bezug auf Hyperlinks (eine elektronische Verknüpfung zu einer Datei im Internet) entschieden, dass Verlinkung oder Deeplinking (ein Link, der den Internet-Nutzer auf tieferliegende Seiten einer Website führt) keine Vervielfältigung darstellen.
Im amerikanischen Rechtsstreit Perfect 10 gegen Google and Amazon vertrat das Gericht die Auffassung, dass ein Link, der zu einem Bild in Originalgröße auf einer anderen Website führt und keine Vervielfältigung der Originalbilder erfordert, das Recht auf Vervielfältigung nicht verletzt.
Während einige Gerichte die Auffassung vertreten, dass Vorschaubilder, d.h. die Bildwiedergabe im Kleinformat, die die Verbindung zu anderen Internet-Websites erleichtern sollen, das ausschließliche Recht auf Vervielfältigung verletzen, urteilte das Landgericht Erfurt, dass die Nutzung von Vorschaubildern zur Herstellung einer Verbindung zu einer anderen Seite für den Urheber keinen Schadenersatzanspruch begründet, wenn das betreffende Werk von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung ins Internet gestellt wurde.
Einer ähnlichen Logik folgend holen auch Suchmaschinen vor der Indexierung von Webseiteninhalten nicht die vorherige Zustimmung derUrheberrechteinhaber ein. Sie argumentieren vielmehr, dass die Inhaber von Inhalten, sollten sie eine solche Indexierung nicht wünschen, den Inhalt in einer „robots.txt“-Textdatei verschlüsseln und die Suchmaschinen so am Kopieren des Inhalts hindern
können. Wenn eine solche Verschlüsselung unterbleibt, kommt dies nach Auffassung der Suchmaschinenbetreiber einer impliziten Autorisierung der Suchmaschine zum Kopieren und Indexieren gleich.
Zur Verfügungstellung digitalisierter Werke
Das aktuelle Urheberrecht sieht für öffentliche Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen und Archive eine ziemlich eng gefasste Ausnahme vom Verbot auf öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung von Werken und sonstigen Schutzgegenständen vor, so lange die Nutzung Forschungszwecken oder privaten Studien dient und über eigens hierfür eingerichtete Terminals in den Räumlichkeiten der genannten Einrichtungen erfolgt.
Diese Ausnahme würde die elektronische Lieferung von Dokumenten an Endnutzer über eine größere Entfernung wohl nicht abdecken. In Bezug auf die elektronische Bereitstellung von Materialien heißt es in Erwägungsgrund 40 der Richtlinie, dass „eine Nutzung im Zusammenhang mit der Online-Lieferung von geschützten Werken oder sonstigen Schutzgegenständen […] nicht unter diese Ausnahme fallen [sollte]“.
Die Situation würde sich also für Bibliotheken in Bezug auf Lieferdienste in dieser Hinsicht kaum ändern.
Verwaiste Werke
Eine Frage, die bei großangelegten Digitalisierungsprojekten immer wieder ins Blickfeld rückt, ist die der „verwaisten Werke“, d.h. Werke, die zwar noch urheberrechtlich geschützt sind, deren Rechteinhaber aber nicht ermittelt oder ausfindig gemacht werden können.
Die Nachfrage nach einer relativ preisgünstigen Online-Verbreitung von Werken oder Tonaufnahmen von erzieherischem, historischem oder kulturellem Wert für ein breites Publikum ist groß. Es wird häufig behauptet, solche Projekte würden durch das Fehlen einer zufriedenstellenden Regelung für verwaiste Werke verzögert. Geschützte Werke können verwaisen, wenn Angaben zum Urheber und/oder anderen Rechteinhabern (wie Verlegern oder Filmproduzenten) fehlen oder überholt sind. Dies ist häufig bei Werken der Fall, die nicht mehr gewerblich genutzt werden.
Abgesehen von Büchern halten Bibliotheken, Museen und Archive derzeit Tausende verwaister Werke, wie Fotografien und audiovisuelle Produktionen in ihren Beständen.
Liegen keine Informationen über den Rechteinhaber vor, kann dies einer
Online-Bereitstellung im Wege stehen und die digitale Restaurierung behindern. Dies ist insbesondere bei Filmen der Fall und dazu führen, dass die Werke unwiderbringlich verloren gehen.
Das Problem bei verwaisten Werken ist in erster Linie die Klärung der Rechte, d.h. der Frage, wie gewährleistet werden kann, dass Nutzer, die verwaiste Werke zur Verfügung stellen, nicht für einen Verstoß gegen das Urheberrecht haftbar gemacht werden können, sollte der Rechteinhaber auftauchen und seine Rechte geltend machen. Abgesehen von der Schadenersatzfrage können sich vor allem bei Werken mehrerer Urheber die Lokalisierung oder Ermittlung der Rechteinhaber als zu kosten- und zeitintensiv erweisen, um den Aufwand zu rechtfertigen. In besonderem Maße gilt dies offenbar für Rechte an Tonaufnahmen und audiovisuellen Produktionen, die derzeit in den Archiven der Rundfunk- und Fernsehsender aufbewahrt werden. Ungeklärte Urheberrechte bei verwaisten Werken können die Verbreitung wertvoller Inhalte behindern und somit auch verhindern, dass sich daran ein neuer schöpferischer Prozess anschließt. Inwieweit ungeklärte Urheberrechte faktisch die Nutzung von Werken behindern, ist aber unklar, da die für eine Quantifizierung auf europäischer Ebene notwendigen Wirtschaftsdaten fehlen.
Auf nationaler und internationaler Ebene werden zu dieser Frage Lösungen gesucht, die meisten Staatensind sich einig darüber, dass ein Nutzer angemessene Schritte unternehmen muss, um den oder die Rechteinhaber zu ermitteln oder ausfindig zu machen.
Die Kommission verabschiedete 2006 eine Empfehlung,in der sie die Mitgliedstaaten ermutigte, Verfahren für eine einfachere Nutzung verwaister Werke zu schaffen und Listen bekannter verwaister Werke öffentlich verfügbar zu machen.
Es wurde eine hochrangige Expertengruppe zu digitalen Bibliotheken eingesetzt, der Vertreter der betroffenen Interessengruppen angehören. Diese Gruppe legte einen Schlussbericht zum Thema digitale Erhaltung, verwaiste und vergriffene Werke („Final Report on Digital Preservation, Orphan Works and Out-of-Print Works“) vor, und in ihrem Rahmen wurde von Vertretern von Bibliotheken, Archiven und Rechteinhabern eine Absichtserklärung zu verwaisten Werken unterzeichnet, die eine Reihe von Leitlinien für die gründliche Suche nach Rechteinhabern enthält sowie allgemeine Grundsätze für Datenbanken verwaister Werke und Mechanismen für die Klärung der Rechte.
Die Einzelheiten sollen auf nationaler Ebene festgelegt werden.
Die meisten Mitgliedstaaten verfügen noch nicht über eine rechtliche Regelung in diesem Bereich. Da dieser Bereich auch grenzübergreifende Fragen aufwerfen könnte, scheint ein harmonisiertes Vorgehen erforderlich.
Die Ausnahme für Menschen mit Behinderung
Auch Menschen mit Behinderung sollten die Vorteile der wissensbestimmten Wirtschaft nutzen können. Dazu zählt nicht nur der physische Zugang zu Bildungseinrichtungen oder Bibliotheken, sondern auch die Möglichkeit, in einem für sie geeigneten Format (wie Braille-Schrift, Großdruck, Hörbücher oder zugängliche elektronische Bücher) auf Veröffentlichungen zugreifen zu können.
Die Richtlinie sieht für Menschen mit Behinderung eine Ausnahme für die Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe vor. Alle Mitgliedstaaten haben diese Ausnahme in ihr innerstaatliches Recht übernommen, wenngleich sie in einigen Mitgliedstaaten auf bestimmte Arten von Behinderungen (wie Sehbehinderungen) beschränkt ist. Einige Mitgliedstaaten schreiben für die Nutzung von Werken im Rahmen dieser Ausnahmeregelung zudem die Zahlung einer Vergütung an den Rechteinhaber vor.
Ein Problem, vor dem alle Menschen mit Behinderung gleichermaßen stehen, sind Kosten und Zeitaufwand, die die Übertragung von Büchern, die nur in Papier- oder digitaler Form vorliegen und nicht ohne Weiteres in Braille–Schrift übertragen werden können, in ein behindertengerechtes Format erfordert. Die Rechteinhaber vertreten die Auffassung, dass ein angemessener Schutz vor Piraterie und Missbrauch gewährleistet sein muss, insbesondere dann, wenn Werke digital bereitgestellt werden und somit problemlos vervielfältigt und über das Internet verbreitet werden können.
Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie lässt eine nicht kommerzielle, unmittelbar mit der Behinderung in Zusammenhang stehende Nutzung in dem Maße zu, in dem die betreffende Behinderung dies erfordert. In Erwägungsgrund 43 der Richtlinie wird hervorgehoben, dass die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen sollten, um für Personen mit Behinderungen, die ihnen die Nutzung der Werke erschweren, den Zugang zu diesen Werken zu erleichtern, und dabei insbesondere auf zugängliche Formate zu achten.
Die Ausnahme zugunsten behinderter Menschen ist eine der Ausnahmen im öffentlichen Interesse, bei denen die Mitgliedstaaten in Ermangelung freiwilliger Maßnahmen der Rechteinhaber selbst angemessene Maßnahmen treffen sollten, um zu gewährleisten, dass die Begünstigten Zugang zu Werken erhalten, die durch technische Maßnahmen geschützt sind.
Wenngleich auch alle Mitgliedstaaten diese Ausnahme in ihr innerstaatliches Recht übernommen haben und es national Einschränkungen nach Kategorien von Behinderungen, Nutzungszweck oder Arten der Vervielfältigung gibt, können
die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der fakultativen Bestimmungen über Ausnahmen einen gerechten Ausgleich für die Rechteinhaber vorsehen.
So schreiben einige Mitgliedstaaten, wie Deutschland, Österreich und die Niederlande, für die Nutzung von Werken im Rahmen dieser Ausnahmeregelung die Zahlung einer Vergütung an den Rechteinhaber vor. Da durch die Übertragung in ein behindertengerechtes Format Kosten entstehen und die verfügbaren Mittel begrenzt sind, stellt sich die Frage, ob die unter die Ausnahmeregelung fallenden Personen zur Zahlung einer Vergütung an die Rechteinhaber verpflichtet oder von einer solchen Verpflichtung befreit
werden sollten.
Einer WIPO-Studie zufolge stehen alle behinderten Menschen gleichermaßen vor dem Problem, dass die Übertragung in ein behindertengerechtes Format Geld und Zeit erfordert. Die Rechteinhaber werden durch die Richtlinie nicht dazu verpflichtet, ein Werk in einem bestimmten Format zur Verfügung zu stellen.
Die Frage lautet daher, wie den betreffenden Interessenverbänden eine ungeschützte digitale Kopie zur Verfügung gestellt werden kann, die diesen die Übertragung in ein bedarfsgerechtes Format ermöglicht und gleichzeitig dem Bestreben der Verlage nach Sicherheit und Schutz ihres Urheberrechts an den Werken Rechnung trägt.
Es gibt bereits Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Verlagen und Sehbehindertenorganisationen, die versuchen den Interessen aller Beteilgten gerecht zu werden.
Bibliotheken als vertrauenswürdige Vermittler zwischen den Interessen Behinderter und Rechteinhabern
Die Rechteinhaber vertreten die Auffassung, dass ein angemessener Schutz vor Piraterie und Missbrauch gewährleistet sein muss, insbesondere dann, wenn Werke digital bereitgestellt werden und somit problemlos vervielfältigt und über das Internet verbreitet werden können. Eine praktikable Lösung bestünde darin, sich auf ein Netz aus vertrauenswürdigen Intermediären, wie Spezialbibliotheken oder Behindertenverbände, zu stützen, die mit den Rechteinhabern verhandeln und Vereinbarungen schließen können. Derartige Vereinbarungen sehen unterschiedliche Beschränkungen und Sicherheiten für die Rechteinhaber vor, die Missbräuche verhindern sollen.
In der Richtlinie 96/9/EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken ist keine ausdrückliche Ausnahme für Menschen mit Behinderung vorgesehen.
Artikel 6, Absatz 2 dieser Richtlinie enthält zwar Ausnahmen für Unterrichtszwecke oder wissenschaftliche Forschungen sowie für Vervielfältigungen zu privaten Zwecken, nicht aber für behinderte Menschen.
Im Text des Grünbuchs folgen nun Ausführungen über die Verbreitung geschützter Werke zu Unterrichts- und Forschungszwecken, zur Verteilung von Unterrichtsmaterialien.
Dieselbe Ausnahme, die im öffentlichen Interesse für Bibliotheken und Archive gilt, wurde auch für Unterrichts- und Forschungszwecke vorgesehen.
Auch im Fall der freien Zugänglichmachung von Unterrichts- und Forschungsmaterialien gilt es, einen Ausgleich zwischen den legitimen Interessen der Rechteinhaber und dem übergeordneten Ziel des freien Zugangs zu Wissen zu schaffen.
Ein Werk, das „ausschließlich zur Veranschaulichung im Unterricht oder für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung“ genutzt wird und „die Quelle, einschließlich des Namens des Urhebers, wann immer dies möglich ist, angegeben wird“, fällt darunter. Diese Ausnahme wurde häufig eng ausgelegt und schließt Fernlernen oder internetgestütztes Lernen zu Hause aus. Auch gilt sie häufig nur für die Vervielfältigung von Auszügen, nicht aber des gesamten Forschungsmaterials. Einige Mitgliedstaaten haben zwar eine Ausnahme für Unterrichtszwecke, aber keine für Forschungszwecke vorgesehen.
Bei Erlass der Richtlinie wurden sowohl der traditionelle Klassenunterricht als auch moderne E-Learning-Methoden berücksichtigt. So kann Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe a dem Erwägungsgrund 42 zufolge auch auf Fernunterricht angewandt werden. Im Wortlaut des Artikels selbst wird dem aber nicht weiter Rechnung getragen, da dort weder die Begriffe „Unterricht“, „wissenschaftliche Forschung“ und „Veranschaulichung“ definiert werden noch der Geltungsbereich der Ausnahme weiter präzisiert wird. Als ausschlaggebendes Kriterium für die Anwendung der Ausnahme wird in Erwägungsgrund 42 der nicht kommerzielle Charakter des Unterrichts und der wissenschaftlichen Forschungen genannt, wobei die organisatorische Struktur und die Finanzierung der Einrichtung, wo diese Aktivitäten stattfinden, keine Rolle spielen. Damit hat die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, die Grenzen der im Rahmen der Ausnahmeregelung zulässigen Nutzung selbst zu stecken und ihnen dadurch großen Spielraum für die Umsetzung gelassen.
In einigen Ländern, wie Dänemark, Finnland, Schweden und Frankreich (bis Januar 2009), können geschützte Werke nur dann zur Veranschaulichung in Unterricht und Forschung verwendet werden, wenn zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Bildungseinrichtungen Vereinbarungen über erweiterte kollektive Lizenzen geschlossen werden. Trotz der Vorteile eines Systems erweiterter kollektiver Lizenzen (bei dem die Einrichtungen die ihren Bedürfnissen am besten entsprechenden Verträge aushandeln können) birgt diese Form der Lizenzierung das Risiko, dass keine oder nur eine sehr restriktive
Vereinbarung erreicht wird und damit Rechtsunsicherheit für die Bildungseinrichtungen entsteht.
In den Mitgliedstaaten, in denen die Ausnahme für den Unterricht und die Forschung in innerstaatliches Recht übernommen wurde, weichen die betreffenden Bestimmungen erheblich voneinander ab. Während einige Länder die Ausnahme auch auf das Recht auf öffentliche Wiedergabe und Zugänglichmachung ausgeweitet haben (wie Belgien,
Luxemburg, Malta und Frankreich) beschränken andere sie auf das Vervielfältigungsrecht (Griechenland, Slowenien) oder gestatten die öffentliche
Wiedergabe nur unter der Bedingung, dass diese nicht außerhalb der Räumlichkeiten der Bildungseinrichtung stattfindet (VK). Deutschland unterscheidet dagegen zwischen Unterricht und Forschung: Während bei ersterem die Nutzung geschützter Werke nur im Klassenunterricht und im Internetunterricht gestattet ist, wenn dieser sich auf einen abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern beschränkt, ist die Regelung für den Bereich Forschung weniger restriktiv, da Werke für „eigene wissenschaftliche Forschung” und „für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen” zur Verfügung gestellt werden können.
Da hinsichtlich der Art des Kopierens die meisten Mitgliedstaaten nicht zwischen analogen und digitalen Kopien unterscheiden, werden beide von der Ausnahme erfasst. In Ungarn wird ihr Geltungsbereich allerdings durch den Wortlaut des Urheberrechtsgesetzes auf analoge Vervielfältigungen beschränkt. Auch in Dänemark gibt es zwischen Verwertungsgesellschaften und Bildungseinrichtungen keine Vereinbarung über die digitale Vervielfältigung.
Der unterschiedliche Umgang mit ein- und demselben Rechtsakt in den einzelnen
Mitgliedstaaten kann zu Rechtsunsicherheit im Hinblick darauf führen, was im Rahmen der Ausnahme zulässig ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Unterricht und Forschung im grenzübergreifenden Kontext stattfinden. Immer mehr Studenten und Forscher möchten nicht nur im traditionellen Klassenraum, sondern auch über Online-Netze frei von zeitlichen und räumlichen Zwängen auf die für sie maßgeblichen Lehrmaterialien zugreifen können.
Bestimmungen, die lediglich die Vervielfältigung geschützter Werke auf Papier gestatten oder Studenten zur physischen Anwesenheit in den Räumlichkeiten der Bildungseinrichtung zwingen, nehmen diesen Einrichtungen die Möglichkeit, das Potenzial der neuen Technologien zu nutzen und Fernlernprogramme anzubieten. So kommt der „Gowers Review“ zu dem Schluss, dass die Teilnehmer von Fernlernprogrammen gegenüber den Studenten auf dem Kampus benachteiligt sind und sich die genannten Auflagen unverhältnismäßig stark auf Studenten mit Behinderungen auswirken, die u.U. aus größerer räumlicher Entfernung auf die Materialien zugreifen müssen.
Es besteht jedenfalls auf diesem Gebiet innerhalb der Mitgliedstaaten große Rechtsunsicherheit, betreffend der Auffassungen, wie weit die Ausnahme zutrifft – bezüglich der Bildungseinrichtungen, Standorte, Medien, der Tätigkeiten, die als Bildung und Forschung gelten usw.
Von Nutzern geschaffene Inhalte
Verbraucher sind nicht nur Nutzer, sondern schaffen in zunehmendem Maße auch selbst Inhalte. Zunehmende Konvergenz zieht die Entwicklung neuer Anwendungen nach sich, die die Möglichkeiten der IKT zur Einbeziehung der Nutzer in die Schaffung und Verbreitung von Inhalten nutzen. Web 2.0-Anwendungen, wie Blogs, Podcasts, Wikis oder Video Sharing ermöglichen es Benutzern, problemlos eigene Texte, Videos oder Bilder ins Internet zu stellen und bei der Schaffung von Inhalten und der Verbreitung von Wissen eine aktivere Rolle zu spielen und sich mit anderen Internetnutzern auszutauschen. Doch besteht ein erheblicher Unterschied zwischen den von Nutzern selbst geschaffenen Inhalten und solchen, die von Nutzern einfach nur ins Internet gestellt werden und in der Regel urheberrechtlich geschützt sind. In einer OECD-Studie werden die von Nutzern geschaffenen Inhalte definiert als Inhalte, die über das Internet öffentlich zur Verfügung gestellt werden, von einer gewissen kreativen Eigenleistung zeugen und außerhalb der regulären beruflichen Tätigkeit entstehen.
Die Richtlinie enthält derzeit keine Ausnahme, die es erlauben würde, bestehende, urheberrechtlich geschützte Inhalte zur Schaffung neuer oder abgeleiteter Werke zu nutzen.
Von einigen Seiten wurde der Ruf laut, für nutzergenerierte Adaptionen eine Ausnahme zuzulassen. Insbesondere im „Gowers Review“ wurde empfohlen, nach Maßgabe des Dreistufentests der Berner Übereinkunft eine Ausnahme für „kreative Adaptionen oder abgeleitete Werke“ zu schaffen. Gleichzeitig wird aber anerkannt, dass dies gegen die Richtlinie verstoßen würde, und deshalb eine Änderung der Richtlinie vorgeschlagen. Ziel einer solchen Ausnahme wäre es, die innovative Nutzung von Werken zu fördern und so zur Erzeugung von Mehrwert beizutragen.